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Werkstattmacher e.V. erhält nach 15 Jahren keine Förderung – Nachwuchsprogramm am LOFFT ist akut bedroht

Förder-Aus für Nachwuchsplattform: Das Werkstatt-Programm am LOFFT – DAS THEATER wird nach 15 Jahren kontinuierlicher Projektförderung durch das Kulturamt der Stadt Leipzig nicht weiter gefördert. Eine auf ehrenamtlichem Engagement gewachsene Struktur steht 2024 vor dem Aus.

Im Herbst 2023 feierte der Werkstattmacher e.V. sein 15-jähriges Bestehen gemeinsam mit ehemaligen und aktuellen Künstler*innen und Werkstattmacher*innen im LOFFT. Der Verein wurde 2008 auf Initiative von Studierenden der Hochschule für Musik und Theater Leipzig, der Theaterwissenschaft der Universität Leipzig und Leipziger Kulturschaffenden gegründet und setzt seitdem das Nachwuchsprogramm am LOFFT – DAS THEATER um. Ziel des Vereins und seiner Arbeit ist es, dem künstlerischen Nachwuchs einen geschützten Produktionsraum zu bieten, um sich mit professioneller Unterstützung bei den ersten Schritten in die freie Kulturszene auszuprobieren.

Dank 15 Jahren kontinuierlicher Projektförderung durch das Kulturamt der Stadt Leipzig konnte der Werkstattmacher e.V. jährlich zehn Tanz- und Theaterproduktionen realisieren. Die Förderung wuchs stetig an, zuletzt waren es 25.000 Euro für 12 Monate künstlerisches Arbeiten in 10 Projekten mit jährlich um die 80Künstler*innen.Für 2023 blickt die Werkstatt auf 30 Vorstellungen, 6 Vermittlungsformate und 4 Workshops zurück und erzielte dabei eine Auslastung von 95 %. Der Großteil der Fördermittel floss direkt in die Umsetzung von Theater-, Tanz- und Performance-Produktionen von Leipziger Nachwuchs-Künstler*innen. Die Werkstatt ermöglicht damit einen Einstieg in das freie Produzieren, fördert künstlerische Projekte jedoch nicht vollumfänglich, was beispielsweise eine Auszahlung angemessener Honorare beinhalten würde.

Über die künstlerische Arbeit hinaus lernen die Werkstatt-Künstler*innen teilweise zum allerersten Mal, wie man zusätzliche Drittmittel für Projektvorhaben akquiriert, welche Infos in einen TechRider gehören, wie Presse- und Öffentlichkeitarbeit funktioniert und viele weitere nützliche Tools, die die Grundvoraussetzung für professionelles Arbeiten in den Freien Darstellenden Künsten bilden. Dieses Wissen bekommen sie durch die enge Begleitung und Beratung unserer ehrenamtlich tätigen Werkstattmacher*innen. Auch für die Werkstattmacher*innen fungiert das Werkstattprogramm als eine zusätzliche „Quasi-Ausbildung“ im Bereich des Kulturmanagements. Hier wenden sie ihr Wissen aus Ausbildung und Studium praktisch im Arbeitsfeld der Kulturmanager*innen an und sammeln mit Unterstützung des LOFFT wertvolle Arbeitserfahrung. Vielen ehemaligen Werkstattmacher*innen gelang direkt nach ihrem Studium der Einstieg in nicht unwichtige Positionen im Kulturbetrieb, auch aufgrund ihrer im Werkstattprogramm erworbenen Vorkenntnisse.

Die Werkstatt-Künstler*innen sind Studierende, junge Kunstschaffende oder Akteur*innen auf dem Weg in die berufliche Selbstständigkeit. Sie bilden Gruppen und Kollektive, um gemeinsam erste künstlerische Vorhaben auf die Bühne zu bringen, sich auszuprobieren oder zu experimentieren. Unsere Künstler*innen sind divers, feministisch, politisch engagiert, international und bringen Formen und Themen u.a. aus Subkulturen auf die Bühne. Sprechtheater, Performance, Figurentheater, Tanz oder Zeitgenössischer Zirkus, alles kann in der Werkstatt auch unter dem Gesichtspunkt der Interdisziplinarität stattfinden und bildet so eine hervorragende Ergänzung im Programm des LOFFT.


Mandy Unger, Leipziger Tänzerin und Choreografin der M.Over Company, hat 2018 ihre erste Werkstatt WHO CARES? und 2023 die Jubiläums-Werkstatt RAVE:TURNAROUND realisiert:

„Mein künstlerisches Schaffen und meine Entwicklung als Choreografin in Leipzig wurde maßgeblich durch den Werkstattmacher e.V. gefördert. Ich durfte bereits zwei Tanzproduktionen im Rahmen der Werkstatt entwickeln und zur Aufführung bringen. Als Nachwuchskünstler*in gibt es in Leipzig kaum bis gar keine Möglichkeiten, Labor- und Experimentierfelder auf Theaterbühnen nutzen zu können. Im Rahmen meiner Werkstatt erhielt ich ein Mentoring, durfte Proberäume nutzen und im Austausch mit dem Leipziger Publikum über meine Arbeit sprechen. Ich habe mich dadurch künstlerisch weiterentwickelt und vertrete nun auch Leipzigs Tanzszene über die Grenzen der Stadt hinaus, was ohne die Förderung durch das Werkstatt-Programm nicht denkbar gewesen wäre. Ohne Werkstatt kein Anreiz hier zu bleiben und kein Nachwuchs! Und ohne Nachwuchs stirbt die freie Tanz- und Theaterszene in Leipzig und noch schlimmer, sie kann gar nicht erst entstehen!“

 

Anne-Cathrin Lessel, Künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin von LOFFT – DAS THEATER und ehemaliges Werkstattmitglied:

„Da ich selbst meine ersten beruflichen Erfahrungen in der Leipziger Kulturszene im Werkstattprogramm gemacht habe, hat mich die Nachricht vom Förder-Aus der Werkstatt auch persönlich sehr getroffen. Die Nachwuchsarbeit am LOFFT existiert seit mittlerweile 19 Jahren, 15 Jahre davon getragen durch den Werkstattmacher e.V.. Sie ist ein nicht wegzudenkender Teil des LOFFT-Programms und wird von uns wesentlich unterstützt. Es ist Teil unseres Auftrages am Haus, neben nationalen und internationalen Projekten auch die lokale und regionale Nachwuchsarbeit zu stärken. Die Arbeit der Werkstattmacher*innen, seit 15 Jahren kontinuierlich vom Kulturamt gefördert, ist ein Modellprojekt und einmalig in ganz Deutschland. Sie verschafft dem künstlerischen Nachwuchs in unserer Stadt mithilfe dieser Plattform Auftrittsmöglichkeiten und stärkt somit ihre Sichtbarkeit. Nicht zuletzt haben nicht wenige junge Künstler*innen in all den Jahren mithilfe der Werkstatt und im Schulterschluss mit uns im LOFFT den Sprung in die Professionalität geschafft.

Der Werkstattmacher e.V. agiert inhaltlich-kuratorisch und finanziell eigenständig, das ist für uns als LOFFT sehr wesentlich. Ich sehe die Werkstattmacher*innen auch als „unsere Agent*innen“, die in den ganz jungen umtriebigen Kunstszenen unserer Stadt aktiv sind, welche sonst nicht gleich beim LOFFT anklopfen würden. Vergangenes Jahr feierte der Werkstatt-Verein sein 15-jähriges Bestehen mit einem Festival, was auch einen Marker für 18 Jahre Nachwuchsförderung am LOFFT war. Das dies nun – und für uns alle sehr überraschend – vorbei sein soll, schockiert uns. Denn plötzlich brechen uns in 2024 10 Produktionen und 30 Vorstellungen im Spielplan weg. Diese können auch nicht so einfach von anderen Bühnen der Stadt kompensiert werden. Mit Blick auf das nächste anstehende Jubiläum – 2025: 20 Jahre Nachwuchsförderung am LOFFT – mit einem geplanten gemeinsamen Festival von LOFFT und Werkstattmacher*innen stellt sich mit der Förderabsage die Frage, ob die Stadt Leipzig solche künstlerische Nachwuchsarbeit überhaupt noch für essentiell ansieht? Ohne eine stark aufgestellte, kontinuierliche Nachwuchsförderung kann sich keine vielfältige und breit aufgestellte professionelle Kunstszene entfalten. Ich hoffe sehr auf eine Verständigung mit der Stadt Leipzig, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die Nachwuchsarbeit am LOFFT – nach einer so langjährigen Förderhistorie – nicht gänzlich beenden zu müssen.“


Jasmin Lein, Vorstandsvorsitzende des Werkstattmacher e.V.:

„Wir sind erschüttert über den Wegbruch der Förderung nach 15 Jahren Förderhistorie. Ein bundesweit einmaliges Modell- und Ausbildungsprojekt in den Freien Darstellenden Künsten für Kulturschaffende und Producer*innen gleichermaßen ist akut bedroht und wird wissentlich der Erosion überlassen. Wir haben gehofft, nach einer letzten Projektförderung 2024, im Jahr 2025 Teil der geplanten Basisförderung zu werden. Mit einer Basisförderung wäre die Professionalisierung und Verstetigung des Werkstatt-Programms abgesichert. Aus der Projektförderung zu fallen, wirft auch die Frage auf, wie wichtig der Leipziger Kulturpolitik die Nachwuchsförderung in Zukunft sein wird?
Vom 22. bis 24. Januar 2024 findet mit CRYPTO BOIS – DIE LEIDEN DER JUNGEN W.S die vorerst letzte reguläre Werkstattproduktion am LOFFT statt. Alle drei Vorstellungen sind bereits seit Mitte Dezember ausverkauft. Die Produktion war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Förderlisten bereits mitten in der Umsetzung, eine Absage wäre nicht vertretbar gewesen.
Für die geplanten Produktionen für Februar bis Juni 2024, die wir wie üblich im Herbst 2023 aus über 30 Bewerbungen ausgewählt haben, berät unser Team gerade individuell mit den Künstler*innengruppen und bemüht sich derzeit um alternative Fördermittel. Einige werden ausfallen müssen, andere womöglich verschoben. Daneben haben wir künstlerische Interventionen, Protestaktionen und Diskussionsrunden geplant, über die wir zeitnah auf unseren Kanälen informieren. Die regulär im Frühjahr geplante Ausschreibung für fünf Produktionen im Herbst 2024 wird auch nicht stattfinden.“

Der Werkstattmacher e.V. wünscht sich im Sinne der Sorgfaltspflicht gegenüber seinen Akteur*innen und Künstler*innen und der Förderhistorie der Werkstatt ein Gespräch mit dem Kulturamt, um gemeinsam eine Lösung zu finden, die die Fortführung des Programms 2024 absichern kann und Perspektiven für die darauffolgenden Jahre eröffnet im Hinblick auf eine Strukturunterstützung im Rahmen der geplanten Basisförderung.